Menschen mit Menschen am Limit
Bei meinem Dienst in der Hauskrankenpflege lernte ich so manch „grantige“ aber auch „nette“ Leute kennen. Mitzi war zumindest nach außen hin eine nette Dame. Sie stand von Montag bis Freitag auf meiner Liste. Unterstützung bei der Körperpflege, vorbereiten des Frühstücks und Kontrolle der Medikamenteneinnahme waren meine Aufgaben. Mitzi verhielt sich eher bescheiden, scheinbar leidend und sie wirkte oftmals wie eine stille Märtyrerin.
Meine liebenswerte, nette Mitzi sah ich nur einmal am Tag, so konnte ich leicht den Erwartungen ihrerseits Stand halten. Doch wie ging es Wolfgang?
Wolfgang war ihr Sohn der sie fr den Rest der Zeit betreute. Mitzi und Wolfgang lebten in einem kleinen Haus. Der geschiedene Sohn kümmerte sich Tag und Nacht um seine, nach außen hin „liebe“ Mutter. Sie hatte sogar ein sogenanntes „Babyfon“ und nützte dieses Tag oder Nacht. Wolfgang konnte sich nicht mal ein Wochenende frei schaufeln oder mal mit seinen Freunden ein Bier trinken. Er war 24 Stunden eingespannt.
Von einem auf den anderen Tag hatte er sein Leben aufgegeben, kochen, putzen und waschen müssen… Wolfgang war fix und fertig.
Mitzi`s benehmen und die Gründe:
Mitzi will nur eines, „im Mittelpunkt stehen!“ Alles soll sich um sie kümmern, und das am liebsten Tag und Nacht! Solche Alzheimer – Patienten, sprechen oft mit leiser Stimme, seufzen viel und was sie am wenigsten brauchen sind fremde Betreuer. Mitzi sagt oft „das macht ja eh Wolfgang für mich, ich brauche niemanden!“
Doch wie weit gehen hier eigentlich Verantwortung und Erwartung? Wo ist die persönliche Grenze? Darf man persönliche Grenzen haben? Oder brauche ich die Erlaubnis meine Grenzen wahrzunehmen? Wie mache ich das?
Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, dass oftmals die Erwartungshaltung alter Menschen grenzenlos ist!
Wolfgang verbrachte unvermeidlich täglich einige Stunden mit seiner Mutter. Wenn ich dann kam um Wolfgang für 45 Minuten zu entlasten, sagte Mitzi oft: „Wolfgang, du willst doch nicht schon gehen? Ich wollte doch noch mit dir ein bisschen reden!“
Spätestens da wirkte Wolfi unsicher und hin- und hergerissen zwischen schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen. Bei Mitzi ging eine andere Zündschnur los: Jetzt begannen die Beschwerden.
Überlebenswichtige Organe, wie das Herz oder die schweren Beie taten wirklich so weh, dass sie nicht mehr gehen konnte!
Pflegende Anghörige lassen sich oftmals in solche „Nischen“ drängen und glauben sie müssten den Erwartungen standhalten. Und wieder muss ich fragen: wie weit geht eigentlich Verantwortung?
Es ist schwer für Angehörige, sich in solchen Situationen nicht betroffen zu fühlen. Der Umstand, dass ältere Personen gerade in ihrer anfänglichen Hilfsbedürftigkeit fremde Hilfe ablehnen, ist ein viel größeres Problem für alle Beteiligten.
Nicht nur Mitzi ist einfach ängstlich und klammert an die noch wenigen Personen die sie noch kennt, dass machen andere alte Menschen auch und setzt dies mit individuellen eigenen Strategien um.
Wir haben die Mittel alte Menschen glücklich zu machen! Mein persönlicher Tipp:
Wenn man den wichtigsten Schritt geht und bereit ist, Unterstützung (wie die einer Fachkraft wie mir) anzunehmen, muss man manchmal zumindest auch gegen den Willen der alten Person handeln – da sich sonst die Situation nicht entschärfen lässt. Der erste Schritt ist der mutigste und mitunter der wichtigste um gute Pflege zu resultieren.
„Validation“ – was ist das?
Validation ist eine verbale und non verbale Kommunikationstechnik und stellt einen stressfreien Umgang für hochbetagte Menschen dar, insbesondere bei Diagnose oder Verdacht auf Alzheimer – Demenz.
In der Validation gibt es für diese beschriebenen Verhaltensweisen ein Rezept: Klare Struktur, Ehrlichkeit und die Kombination einer bestimmten Grundhaltung, die für alte Menschen nötig ist. Wenn etwa der Pflegebedürftige sagt: „Was? Du gehst schon?“… Obwohl man seiner eigenen Ansicht nach genug Zeit mit dem hochbetagten Menschen verbracht hat, könnte ein so beschriebenes Rezept aussehen: Man versucht den Gefühlsrhythmus des Gegenübers anzunehmen und kleidet ehrlich und authentisch in Worte, wie zum Beispiel: „Ja, ich wollte gehen, kommt das so plötzlich für dich? Hast du gehofft, dass ich noch lange hierbleibe?“
Eine klare Position zu behalten ist oftmals leichter gesagt als getan, lässt sich aber mit Hilfe erlernen. Ein respektvoller Umgang würde Mitzi viel mehr Sicherheit geben und Vertrauen aufbauen. Sie würde die Information annehmen, dass jemand immer für sie da ist und man nie auf sie vergisst. So werden ihre Bedürnisse ohne sedierende Medikamente und hässliche Nebenwirkungen gestillt.
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